Sonntag, 29. Juni 2003
koyak, 10:58h
Rennbericht vom Halbmarathon Samstag um 18.00 stand ich mit leicht zitternden Beinen am Heiligengeistfeld, Bart clippte mir die Startnummer ans T-Shirt und ich wartete darauf dass es nun endlich losgeht. Es hat noch geklappt mit meiner Nachmeldung, also war ich schon seit Freitag abend in freudiger Erwartung auf den bisherigen Höhepunkt meiner Lauf-bahn. Am Samstag wandelte sich die Erwartung zum Teil in Lampenfieber. Wettkämpfe finden ja meistens morgens um 9.00 statt, diesmal musste man noch den ganzen Samstag rumkriegen, ohne sich zu sehr anzustrengen. Das klappte aber gut, da wir ja noch für den Urlaub diversen Campingkram und Fressalien einkaufen mussten. Jetzt ging es also bald endlich los. Ich rechnete eigentlich mit Menschenmassen am Start, doch zu meiner Überraschung bestand das Feld nicht einmal aus der Hälfte der Leute die vor einem Jahr beim 10km-Alsterlauf antraten. Das gefiel mir natürlich, denn man hatte das Gefühl nicht mehr in der totalen Hobbyliga anzutreten. Mein Trainer und Serviceteam Bart verkürzte mir die Wartezeit und reichte das finale Doping: Bananen und Wasser bis sich endlich die Läufer zu einem Pulk vor dem gründen Jever-Tor versammelten. Hochkonzentration in der Startaufstellung.Es gab wieder einen Blockstart. Ich reihte mich – eher bescheiden – im Block „unter 2h30“ ein, denn ich wollte nicht gleich am Start von meinen Nachbarn abgeledert werden und so mein Selbstbewusstsein am KM 1 abgeben. Endlich knallte die Pistole des Starters und der Tross setzte sich langsam in Bewegung, stockte wieder und rollte schliesslich los um gleich in die Reeperbahn einzubiegen. Der erste Streckenabschnitt verlief entsprechend witzig, denn man wurde nicht nur beklatscht sondern auch von besoffenen Kiezbesuchern mit Sprüchen wie „Schneller ihr Säcke“ verhöhnt. Auch im Läuferpulk war noch Partystimmung angesagt: Viele quatschten oder machten Witze. Beim ersten Anstieg über die Königstrasse Richtung Blankenese schielte ich immer nervös auf meinen Pulsmesser. Meine Strategie war „immer unter 150 bleiben“ gewesen. Zwar habe ich die 21 km schonmal im Trockenversuch an der Alster geschafft, aber ich wusste dass Wettbewerbe nochmal was anderes sind. Außerdem wollte ich diesmal mich am Anfang zurückhalten, Kräfte sparen und dann am Schluss zu den Jägern gehören. Die Strecke war wirklich wunderschön. Vorbei an den Nobel-Villen in Blankenese fast bis auf Höhe von Teufelsbrück, dann eine scharfe Biegung und zurück in Richtung Centrum am Hafen entlang. Da ich nicht wie im Training immer nur einen See umrundete sondern echte Strecke in der Stadt auf extra abgesperrten Straßen zurücklegte merkte man zu welchen Distanzen man inzwischen fähig ist. Da es immer etwas zum Schauen gab, war der Lauf alles andere als eine eintönige Quälerei. Am Straßenrand standen immer wieder Leute zum Anfeuern, die das ganze nicht so bierernst erscheinen lassen und enormen Antrieb geben. Kurz vor Altona musste ich schnell mal in die Büsche. wenn ich etwas bei Laufen nicht leiden kann, dann ist es Druck auf der Blase. Letztes Jahr bei der Alsterrunde wünschte ich mir die ganze Zeit an ein Dixie-Häuschen. Das sollte mir diesmal nicht mehr passieren. Sehr erleichtert ging es bergab am Dock 14 und am Fischmarkt vorbei und ich verlor langsam die anfängliche Vorsicht bezüglich des Tempos. Ich pendelte mich eher bei einem Puls über 160 ein, merkte aber dass dies locker über längere zeit gehen würde. „Scheiss auf den Pulsmesser“ dachte ich mir. „Lauf schnell, aber ohne zu große Anstrengung.“ Als wir die Hafenstrasse passierten – zur Freude der gröhlenden Hausbesetzer – war etwa die Hälfte der Distanz geschafft. Das Feld hatte sich inzwischen weit auseinandergezogen, so dass man wieder viel Platz hatte und nicht mehr direkt neben einem keuchenden Konkurrenten traben musste. Bei KM 15 nutzte ich eine Wasserstation. Es war ein sehr heisser Tag, also rann bei mir der Schweiss schon wenige Meter nach dem Start in Strömen. Zwar kühlte es in der Abenstunde schon etwas ab, doch die hohe Luftfeuchtigkeit sorgte für eher tropische Regenwaldstimmung. Es war nicht leicht einen der begehrten Plastikbecher zu ergattern, doch ich erwischte dann doch einen, nahm im Gehen ein paar Schluck und Schwupp – weiter geht’s. Am Hauptbahnhof festigte sich meine Ansicht, dass ich das Rennen schaffen würde und ich erlaubte mir noch mehr Gas. Inzwischen sahen einige Läufer stark gezeichnet aus und liessen sich zurückfallen oder mussten Gehpausen einlegen. Besonders an Ansteigen konnte man an vielen vorbeiziehen. Bei manch anderen musste ich schwer staunen: etwa 10 Meter vor mir lief eine ganze Zeitlang ein Opa, der noch nichtmal in ordentlichen Sportklamotten antrat. Er trug eine stinknormale kurze Hose an der sein Riesenhandy baumelte und schwitzte mächtig. Nicht mal ordentliche Schuhe hatte er. Dennoch war er nicht einzuholen. Wenn ich ihn anschaute kam mir mit meiner High-Tech Laufmontur reichlich erbärmlich vor. An der Alster kam die letzte Wasserstelle. Die Becher wurden knapp, weswegen die Helfer die weggeworfenen Teile wieder einsammelten und erneut füllten. Nicht besonders appetitlich, aber war mir auch echt egal also nahm ich den letzten Schluck vor der heissen Schlussphase aus einem Gebraucht-Becher. An der Alster hatte ich heimvorteil denn oft genug hatte ich sie schon umrundet. Ich musste staunen wie fit ich mich immer noch fühlte. Ich hatte immer noch das Gefühl jede Menge Reserven zu haben. Bei KM 19 erlaubte ich es mir schliesslich diese rauszulassen und lief nun deutlich schneller. Das Überholen einiger lanfgsam gewordener Kollegen motivierte mich. Es wurden immer mehr Leute am Rand, die jetzt auch jeden einzelnen Läufer mit „Na also geht doch“ oder besonders schön „Na und Du hast gesagt Du schaffst das nächt“ anfeuerten. Endlich kam die Zielgerade und das Schild „noch 500 Meter“. Ich beschloss meinen Spurt anzusetzen, der mich beim letzten mal selbst vernichtete, da ich nach einigen hundert Metern wieder abbrechen und erholen musste. Diesmal wars besser. Etwa bei 250 Meter setzte neben mir einer zum Überholen an und zog mit mächtigem Tempo vorbei. „Respekt“ dachte ich. 50 Meter später konnte er allerdings nicht mehr und beschloss wohl dass für ihn hier das Ziel steht – und blieb einfach stehen. Inzwischen völlig im Rausch zog ich auf die immer engere Gasse zu, die die Zuschauer vor dem Zieltor noch offenliessen. Am Ziel war ich völlig high, vergass aber nicht meine Stoppuhr zu drücken. Die zeigte 2:06 an, womit ich mich zu meinem letzten Halbmarathon um eine Viertelstunde verbessert habe. Geschafft!Mit der Zeit war ich sehr zufrieden. Außerdem war mein Ziel fürs erste mal „Ankommen und nicht unbedingt letzter werden. Das hatte ich locker gepackt, denn noch eine halbe Stunde nach mir trudelten Läufer ein. Am Ziel wartete mein Service-Team Bart mit trockenen Klamotten, Bananen und Wasser. Herrlich. Ich war überglücklich, vor allem auch weil es zu Anfang diesen Jahres Knie-technisch gar nicht gut ausgesehen hatte. Jetzt bin ich wieder da und zwar besser als im letzten Jahr. Der Halbmarathon ist gefallen. Jetzt gibt es nur noch eine Steigerungsmöglichkeit. Dreimal dürft ihr raten was das sein wird.
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